Verkündungstermin im Räumungsverfahren aufgehoben

Rechtsanwälte des Renn-Klubs äußeren Besorgnis der Befangenheit

In der Räumungsklage der Stadt Frankfurt haben die Rechtsanwälte des Renn-Klub am letzten Freitag (26.08.) einen Antrag wegen der Besorgnis der Befangenheit gegen die erst im Juni eingesetzte Einzelrichterin Dr. Brücher eingereicht.
Grund der Ablehnung ist der Zufallsfund des Rechtsanwaltes Michael Freudenreich bei seiner Einsichtnahme in die Gerichtsakte. Die Akte der 12. Zivilkammer enthielt einen detailliert ausgearbeiteten Aktenvermerk des früheren Richters Dr. Kirschbaum, der bis Anfang Juni 2016 mit dem Fall als Einzelrichter betraut gewesen ist. In dem 22-seitigen Aktenvermerk des Richters Dr. Kirschbaum hat dieser das sog. „Präsidium“ (das Selbstverwaltungsorgan der Richter) am Landgericht Frankfurt angerufen, um zu prüfen, ob seine Fall nicht einer Kartellkammer vorzulegen ist, da die Stadt Frankfurt hinsichtlich der Zur-Verfügung-Stellung von Pferderennbahnen vermutlich eine marktbeherrschende Stellung in der Region inne hat. Falls auch das Kartellrecht anzuwenden sei, wären die Kündigungsmöglichkeiten der Stadt gegenüber dem Renn-Klub dadurch deutlich eingeschränkt. Fraglich erschien lediglich, ob der bisherige Vortrag der Anwälte des Renn-Klubs zum Kartellrecht hinreichend konkret gewesen ist. Falls man dies bejahe, sei das Kartellrecht zu berücksichtigen.
Richter Dr. Kirschbaum hielt den Vortrag des Renn-Klubs für hinreichend konkret und befürwortete daher die Vorlage bei einer speziellen Kartellrechtskammer. Die Vorsitzenden der beiden Kartellrechtskammern vertraten hingen die Auffassung, der Vortrag sei noch nicht ausreichend, um eine Zuständigkeit ihrer jeweiligen Kammer zu begründen. Richter Dr. Kirschbaum führte in seinem Vermerk auch aus, dass falls der Vortrag des Renn-Klubs zu diesem Thema bisher noch nicht ausreichend sei, von Seiten des Gerichts ein rechtlicher Hinweis gegeben werden müsse, damit der Renn-Klub seinen Vortrag ergänzen könne. Zunächst wollte Richter Dr. Kirschbaum jedoch die Entscheidung des Präsidiums abwarten, da sich der Hinweis zu weiterem Sachvortrag erübrige, wenn die Zuständigkeit einer Kartellrechtskammer vom Präsidium ohnehin bejaht werde.
Die Reaktion des Präsidiums auf diesen Aktenvermerk war jedoch sehr ungewöhnlich: das Präsidium hat in seiner Sitzung vom 29.04.2016 die Zuständigkeit einer Kartellkammer verneint und gleichzeitig Richter Dr. Kirschbaum aus der 12. Kammer entfernt und Richterin Dr. Brücher in die 12. Kammer versetzt. Ein solcher Austausch eines Richters in einem bereits anhängigen Verfahren mitten im Geschäftsjahr ist eher ungewöhnlich und nur in streng geregelten Ausnahmesituationen überhaupt gesetzlich zulässig.
Nach Übernahme der Amtsgeschäfte übersandte Richterin Dr. Brücher den Aktenvermerk ihres Vorgängers nicht an die Parteien zur Kenntnis und gab dem Renn-Klub auch keinen rechtlichen Hinweis zum Kartellrecht, obwohl dies von ihrem Vorgänger Richter Dr. Kirschbaum ausdrücklich für erforderlich erachtet worden war. Das berechtigte Interesse des Renn-Klubs an der gerichtlichen Anwendungen der kartellrechtlichen Bestimmungen zum Schutz eines von einem Monopolisten abhängigen Vertragspartners ist dadurch massiv verletzt worden. Durch diese das Interesse der Stadt bevorzugende Verhaltensweise ist für die Rechtsanwälte des Renn-Klubs die Besorgnis der Befangenheit gegenüber Richterin Dr. Brücher entstanden.
Die 12. Zivilkammer hat daher heute entschieden, den auf den 30. August 2016 angesetzten Verkündungstermin aufzuheben und auf den 25. Oktober 2016 zu verschieben, um die Frage der Befangenheit von Richterin Dr. Brücher einer gerichtlichen Überprüfung zuführen zu können.

 

Die Rechtsanwälte des Renn-Klubs vermuten als Hintergrund für das ausgesprochen ungewöhnliche Prozedere des Präsidiums im Umgang mit Richter Dr. Kirschbaum – der im Frühjahr dem Vortrag des Renn-Klubs, wonach die Stadt Frankfurt sich im Zuge der im Dritten Reich erfolgten kostenlosen Aneignung von Vermögenswerten des jüdischen Renn-Klubs verpflichtet hat, sich im Gegenzug zumindest für den dauerhaften Erhalt der Rennbahn einzusetzen, nachgegangen war und auch entsprechende – bisher unter Verschluss gehaltene – Dokumente aus der Grundbuchakte beigezogen hatte – dass der Austausch dieses Richters seinem unerschrockenen Einsatz für diese historische Wahrheitsfindung geschuldet ist. Es entsteht leider der Eindruck, dass Richter Dr. Kirschbaum für sein unerwünschtes Vorgehen (Beiziehung der Grundbuchakte aus der Nazizeit) in dieser Sache diszipliniert und an der Fortsetzung seiner zu dem Problemkreis nationalsozialistischer Enteignungen eingeleiteten Rechtsprechung gehindert werden soll.
Der Renn-Klub hat wie wir alle einen Anspruch auf den gesetzlichen und unparteiischen Richter. Die Anwälte des Renn-Klubs prüfen daher, ob die außerplanmäßige Versetzung von Richter Dr. Kirschbaum nicht auch einen Verstoß gegen Artikel 101 des Grundgesetzes beinhaltet.